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Risikofaktor Tuning

 

I. Einleitung

Die Überschrift dieses Beitrags hätte auch lauten können: Denn sie wissen nicht was sie tun...

In Deutschland herrscht eine weltweit fast beispiellose Überwachung des Fahrzeugzustands durch die regelmäßigen Überprüfungen im Rahmen der Hauptuntersuchung. Auch sind alle Fahrzeuge vor Erstinbetriebnahme entsprechend abgenommen worden, ebenso wie alle Teile, die man an das Fahrzeug schrauben darf. Gleichwohl meinen viele Halter und Fahrer, dass die vom Gesetzgeber gesetzten Grenzen zu eng seien und jederzeit durch wahnsinnige Umbauten gesprengt werden können und müssen. Zudem seien die Entwickler der Autohersteller sowieso alle zu doof ein Fahrzeug auf die Beine zu stellen, weshalb deren Arbeit einfach so gestrichen werden muss. Dabei wird nicht etwa der Sinn und Zweck einzelner Maßnahmen der Entwickler hinterfragt - nein, das sei ja gar nicht nötig.

Natürlich gibt es auch andere: Diese Tuner überlegen, welche Ziele erreicht werden sollen und machen dann mit größter Sorgfalt nötige Änderungen ohne aber deren Schattenseiten zu vergessen.

 

 

II. Beispiel A: Elektronikoptimierung

Moderne Autos sind letztendlich Computer auf Rädern. Neben dem Motor werden nahezu sämtliche Funktionen des Innenraums uvm von Steuergeräten überwacht und verwaltet. Eine "Optimierung" dieser Elektronik, also die Veränderung der hinterlegten Datensetze und Parameter, ist oftmals einfach.

 Besonders Fahrzeuge mit Automatikgetriebe haben es den Pfuschern angetan. Da werden Schaltparameter wie Schaltdrücke oder Drehmomentreduktion des Motors verstellt ohne überhaupt deren Auswirkungen vollumfänglich zu verstehen.  Aber auch die Geschwindigkeiten, bei denen geschaltet werden soll, werden fleißig modifiziert. Doch worin liegt dabei die Gefahr? Nun, zum einen können natürlich die Belastungen auf das Fahrzeug steigen. Das alleine ist schlimm aber nicht gefährlich für die Menschen. Zum anderen können aber zB fehlende Drehmomentreduzierung beim Schalten dazu führen, dass die Räder beim Schaltvorgang durchdrehen. Bei einem Fahrzeug mit Hinterradantrieb bedeutet dies immer die Gefahr eines Leistungsübersteuerns, d.h. dem Ausbrechen des Hecks. A pro pos Ausbrechen des Hecks: Auch durch besonders agressives Herunterschalten, zB indem bereits bei kleinsten Gaspedalstellungsänderungen das Herunterschaltkommando gegeben wird, kann äußerste Gefahr für solche Situationen bestehen. Man stelle sich eine Kurvenfahrt vor wo der Fahrer minimal beschleunigen will. Schaltet das Fahrzeug nun zB vom dritten Gang in den ersten, kann das Heck wie vom Hammer getroffen zur Seite ausbrechen.

 

III. Beispiel B: Aerodynamik (Spoiler)

Heutige Fahrzeuge, besonders Sportwagen mit einer bauartbedingen Höchstgeschwindigkeit >> 250km/h, haben eine extrem sensible Aerodynamik. Wird diese verändert, ergibt sich oft ein unkalkulierbares Fahrverhalten. So kann durch blankes Tieferlegen des KFZ bereits der Luftstrom unter dem Fahrzeug derart gestört werden, dass Auftrieb entsteht und damit die Haftung abnimmt. Auch das Anbringen ungeprüfter Karosserieteile grenzt fast schon an Selbstmord: Wer sagt einem denn eigentlich, dass der im Zubehör gekaufte Frontspoiler nicht den Auftrieb an der Vorderachse erhöht? Was passiert, wenn man nach dem Überfahren zB von einer Bodenwelle mit 250++ km/h ein leichtes Schlingern des Fahrzeug einfangen muss, das Fahrzeug aber kaum Grip an der Vorderachse aufgrund des Spoilers aufbauen kann?

Die Aerodynamik eines Fahrzeugs ist für bestimmte Geschwindigkeitsbereiche ausgelegt. Was passiert eigentlich, wenn man diese vom Hersteller geprüften Bereiche verlässt?

Eine Corvette C5 Z06 hat zB eine Höchstgeschwindigkeit von knapp unter 280km/h. Dort setzt der Drehzahlbegrenzer ein. Tauscht man nun das Getriebe gegen das der normalen C5, liegt die Höchstgeschwindigkeit plötzlich bei 300 km/h. Wer sagt einem eigentlich, dass bei diesen Geschwindigkeiten nicht der Auftrieb am Heck so hoch wird, dass das Fahrzeug hinten die Haftung verliert? Schließlich unterscheidet sich die Aerodynamik deutlich von der des Coupe? Was ist mit extremen Leistungssteigerungen? Warum hat der Gesetzgeber ein obligatorisches Aerodynamikgutachten eingeführt, dass immer dann erstellt werden muss, wenn die bauartbedingte Höchstgeschwindigkeit mutmaßlich gesteigert ist oder Karosserieteile verändert werden?

 

IV. Beispiel C: Fahrwerk & Räder

Nirgends wird so gerne geschraubt wie an Rädern und Fahrwerk. Vielfach ist in den einschlägigen Foren zu lesen, man solle doch die Dämpfer und Stabilisatoren / Pendelstützen anderer Modelle verbauen.

So raten nicht nur Nutzer des corvetteform.de sondern auch dort vertretene Händler offen dazu, beim Fahrwerk FE1 / F45 / F55 der Corvette C5 die Dämpfer, Stabilisatoren und Pendelstützen der 2004er Z06 zu verbauen. Dies funktioniere mit den FE1-Federn tadellos, das Fahrzeug liege wie ein Brett. Auf die interessante Frage, warum der Hersteller bei eben dieser Z06 Federn mit mehr als 20% mehr Federrate verbaue, bleibt eine Antwort offen. Für mich erscheint es unvorstellbar, dass ein Hersteller, der Kostenzwängen unterliegt, ohne Not verschiedene Federn verbaut. Die Erfahrungen im Forum zeigen auf, dass diese Einschätzung nicht ganz falsch ist - die so modifizierten C5 sind tatsächlich überdämpft und neigen bei hohen Geschwindigkeiten zum Aufschaukeln.

Aber auch abseits des Fahrwerks wird viel Schindluder getrieben. So wird von vielen Usern geraten, die werkseitigen EMT-Reifen gegen Normalreifen zu tauschen. Zwar ist völlig richtig, dass die steifen Seitenflanken der Reifen mit Notlaufeigenschaften viele Schwachstellen haben, gleichwohl verkennt man eben auch deren Stärken! Natürlich steigt der Komfort mit Normalreifen. Natürlich steigt auch die Nasstraktion, da die Normalreifen stärker bei Nässe walken können und so besser auf Temperatur kommen. Gleichwohl: Das Fahrwerk ist auf die EMT-Reifen optimiert, dh die Federraten sind zB angepasst. Wechselt man auf weichere Non-EMT, wird das Fahrwerk zu weich. Das Fahrverhalten leidet. Ein pauschaler Tip auf Non-EMT zu wechseln ist auch von dieser Warte her schon falsch.

Leider wird darüber hinaus nicht selten sogar noch eine andere Rad/Reifenkombination verbaut.

Ganz lebensmüde sind die Fahrer, die zB einen BMW-Radsatz montieren. BMW verfügt über einen Lochkreis von 5x120mm, die Corvette hingegen über 5x120,65. Das geht eine Weile gut, aber eben nur eine Weile - Stichwort abgescherte Bolzen.

Aber selbst die, die sich für Corvette-Räder entscheiden handeln sich regelmäßig massive Nachteile ein. So sind die Serienräder extrem leicht während die Zubehörräder regelmäßig exorbitant schwer sind. Durch die Erhöhung der ungefederten und rotierenden Massen sinkt natürlich das Ansprechverhalten der Federung - Korrekturen des Fahrtweges bei Bodenwellen werden ungleich schwerer.

Die Corvette hat darüber hinaus an Vorder- und Hinterachse unterschiedliche Abrollumfänge (C5 & C6). Das Verhältnis dieser Umfänge muss gleich bleiben. Dies gelingt außer mit Serienreifen (fast) nie. Meist liegen die Räder jedoch in der Toleranz, in der die Fahrzeugelektronik noch keine Fehler auswirft. Trotzdem: Ein ESP kann nur optimal regeln, wenn werksnahe Abrollumfangsverhältnisse gefahren werden. Ein zu spät eingreifendes ESP kostet im Zweifel das Leben...

 

V. Fazit

Es gibt mit Sicherheit eine Vielzahl von Beispielen zum Thema "Baumarkttuning" oder Pfusch, die hier aufgezählt werden könnte. Die meisten "Verbesserungen" beeinträchtigen nur Standfestigkeit des Fahrzeugs oder Geräuschniveau. Einige, wie hier gezeigt, können aber auch das Leben kosten. Von daher, schraubt vorsichtig.[JG]

Technik

Es handelt sich um subjektive Einschätzungen!